Dortmund 1, Bayern 2 (2013): ZEHN ERKENNTNISSE

Am 25. Mai 2013 gab es zum ersten und bisher einzigen Mal ein rein deutsches Champions-League-Finale. Triumphierten die Bayern verdient – und hätten sie am Ende überhaupt noch zu elft sein dürfen?

In den Jahren 2012 und 2013 gipfelte die Popularität um Real Madrids Cristiano Ronaldo und Lionel Messi beim FC Barcelona samt der prestigeträchtigen Clasicos. In beiden Jahren hätten die Erzrivalen das Champions-League-Finale gegeneinander bestreiten können, beide Male war aber jeweils schon im Halbfinale Schluss.

2012/13 schalteten ausgerechnet zwei deutsche Vereine die spanischen Übermannschaften aus Madrid (3:4 gegen Dortmund) und Barcelona (0:7 gegen Bayern) aus – und sorgten im neuen Wembley-Stadion zu London erstmals für ein rein deutsches CL-Finale.

Auch zwischen FCB und BVB hatte sich in den zurückliegenden Spielzeiten eine besondere Rivalität entwickelt, weil die Schwarz-Gelben den Roten zu Beginn der 2010er Jahre unter Jürgen Klopp eindrucksvoll den Rang ablaufen konnten. 2013, unter Jupp Heynckes, schlug der Rekordmeister in der Bundesliga dann zurück. Doch um die Vorherrschaft im deutschen Fußball – mindestens – wurde im Champions-League-Finale gespielt.

1. Was wäre, wenn?

Aus heutiger Sicht könnte man denken: Der Zug war bereits abgefahren. Der kommende Triple-Sieger Bayern war Dortmund und dem Rest der Bundesliga trotz der BVB-Meisterschaften 2011 und 2012 enteilt – 2012/13 mit 25 Punkten, in all den Jahren seither sowieso. Zudem war Mario Götze bereits auf dem Weg nach München, am Deal mit Robert Lewandowski wurde hinter den Kulissen bereits gearbeitet.

Und doch hätte der Champions-League-Sieg den BVB noch mal beflügeln und ihn als internationale Top-Adresse in dieser Zeit ganz anders manifestieren können – während der große FC Bayern in diesem Fall in drei der vergangenen vier Jahre das CL-Finale verloren hätte. Ein Trauma mit potenziellen Folgen. Am 25. Mai 2013 stand ohne Zweifel einiges auf dem Spiel. Und ein anderer Ausgang hätte durchaus Dinge verändern können.

2. Götze

Das große deutsche Finale fand in einem dafür angemessenen Rahmen im neuen Wembley-Stadion statt, aber ohne seinen wohl brisantesten Protagonisten. Dass Dortmunds Götze nach Saisonende ein Münchner sein würde, stand im Finaltag längst fest. Ein Final-Einsatz wäre spannend geworden.

Doch der feine Techniker saß aufgrund eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel lediglich in zivil auf der Tribüne. Von dort aus sah er seinen Kumpel Marco Reus auf der Zehnerposition zum ziemlich klaren Zentrum des Dortmunder Angriffsspiels werden, während auf Linksaußen, wo Reus bei einem Götze-Einsatz wohl gespielt hätte, Kevin Großkreutz mehr durch Defensivarbeit auffiel.

Götze hätte diesem Spiel, auch wenn er ein wenig zwischen den Stühlen gestanden hätte, trotzdem noch mal eine andere Richtung geben können. Die Bayern vermissten in der Innenverteidigung Holger Badstuber, der sich im zurückliegenden Dezember das Kreuzband gerissen hatte.

Mario Götze musste von der Tribüne aus mitfiebern. – Bild: www.standard.co.uk

3. Die Aufstellungen

Kurios, aber wahr – sofern “Sky”-Kommentator Marcel Reif keine falschen Informationen vorlagen: Sowohl der BVB als auch die Bayern schickten im großen CL-Finale eine Elf ins Rennen, die so in der ganzen Saison bis dato noch nicht zusammen begonnen hatte. Was man beim Durchlesen der 22 Spieler übrigens gar nicht denken würde:

Borussia Dortmund: Weidenfeller – Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer – Bender (90. Sahin), Gündogan – Blaszczykowski (90. Schieber), Reus, Großkreutz – Lewandowski.

FC Bayern München: Neuer – Lahm, Boateng, Dante, Alaba – Martinez, Schweinsteiger – Robben, Müller, Ribery (90.+1 Luiz Gustavo) – Mandzukic (90.+4 Gomez).

Tore: 0:1 Mandzukic (60.), 1:1 Gündogan (68., FE), 1:2 Robben (89.).

4. Dortmund muss nicht in Führung gehen

Aus Sicht von Borussia Dortmund war es nicht erst mit dem Schlusspfiff schon etwas bitter, dass es nach 25 Minuten noch 0:0 stand. Der BVB hatte bis dato klar den Ton angegeben und die Bayern durch starke Pressingmomente und daraus resultierende hohe Ballgewinne sowie geradliniges Umschalten brutal in die passive Rolle gedrängt.

Bis zur 25. Minute, einer Schlüsselszene der Partie, hatte lediglich Schwarz-Gelb Chancen, vier an der Zahl. Doch nur eine – Jakub Blaszczykowski zwang Manuel Neuer im kurzen Eck zu einer überragenden Fußparade – war wirklich zwingend gewesen, sodass nach Ablauf der ersten 25 Minuten zwar der Eindruck blieb, dass die Mannschaft von Jürgen Klopp – und das wäre verdient gewesen – definitiv hätte in Führung gehen können. Aber nicht unbedingt hätte in Führung gehen müssen.

5. Kein Rot für Ribery war womöglich vertretbar …

Es war die Aufreger-Szene des deutschen Endspiels. 25. Minute, Robert Lewandowski und Franck Ribery beharken sich im Mittelfeld. Bis dato war es eine sehr faire Partie gewesen, Schiedsrichter Nicola Rizzoli aus Italien hatte sie im Griff. Dann der Zweikampf in der Nähe der Mittellinie, in dem Lewandowski Ribery in Kopfnähe bearbeitete und erst spät losließ.

Dafür sorgte der Franzose in letzter Instanz selbst, indem er den Polen schlussendlich von sich stieß – allerdings in einer durchaus auch schlagenden Bewegung. Trotzdem wirkt die Aktion von Ribery, der Lewandowski mehr an der Schulter trifft, zumindest in meinen Augen etwas eher wie ein Befreien und Wegstoßen als wie ein Schlagen, das dem Hitzkopf als Tätlichkeit auszulegen gewesen wäre.

Darüber hinaus sollte es zwar keinen “Final-Bonus” geben, aber auch unter diesem Aspekt, solch ein Endspiel nicht frühzeitig aus dem Gleichgewicht zu bringen, finde ich den Verzicht auf Rot noch vertretbar. Da ist Wiederholungstäter Ribery in all den Jahren mit ein paar sicherlich schlimmeren Ausrastern davongekommen.

6. … und Bayerns Initialzündung

Bis zur 25. Minute und Riberys Grenzgang gegen Lewandowski hatte das CL-Finale zumindest in aktiver Rolle fast ohne den FC Bayern stattgefunden. Der Favorit baute nur zögerlich auf, passte ungenau und agierte grundsätzlich übervorsichtig, wirkte beeindruckt und beinahe ein wenig verängstigt.

Erst der unbestrafte Aufreger – Ribery sah nicht einmal gelb – schien die Münchner wachgerüttelt zu haben, die nur Sekunden später eine Riesenchance durch Mario Mandzukic verbuchten (Kopfball gegen die Laufrichtung von Roman Weidenfeller, der bärenstark reagierte) und anschließend bis zur Pause auf einmal klar am Drücker waren.

7. Giganten zwischen den Pfosten

Das Champions-League-Finale 2013 war ein höchst unterhaltsames Spiel, in dem keiner der Feldspieler jedoch im ganz großen Stil überragen konnte. Die besten Akteure des deutschen Endspiels standen tatsächlich zwischen den Pfosten.

Was Neuer im Bayern-Tor (vor allem früh gegen Blaszczykowski), aber auch Weidenfeller im BVB-Gehäuse (gegen Mandzukics Kopfball oder zweimal im Eins-gegen-eins mit Robben) parierten, war schon absolute Weltklasse. Zweimal die kicker-Note 1 unterstreicht das nur.

8. Bayern-Dusel (?)

Schiedsrichter Rizzoli war dankbar: Einen viel klareren Elfmeter als den in der 67. Minute des Wembley-Endspiels durfte er wahrscheinlich selten pfeifen. Dante hatte seinen ehemaligen Gladbacher Teamkollegen Marco Reus im Strafraum plump getreten, mit dem Ball hatte die Szene nur am Rande zu tun. Pikant allerdings: Die zweite gelbe Karte für den bereits verwarnten Brasilianer blieb stecken.

Einerseits war die ursprüngliche Verwarnung aus der ersten Hälfte streng gewesen und seither war Dante nur noch bedingt negativ aufgefallen. Erneut Gnade vor Recht walten zu lassen, lag vermutlich abermals noch im Ermessensspielraum des Italieners. Andererseits war Dantes Tritt ohne Zweifel ein gelbwürdiges Vergehen, Final-Toleranz hin oder her. So blieben am Ende zwei Szenen, in denen der FC Bayern das Glück des Tüchtigen definitiv gepachtet hatte. So etwas kann den Ausschlag geben.

Angemerkt sei an dieser Stelle auch die 79. Minute (Spielstand 1:1), in der Lewandowski dem am Boden liegenden Boateng – wohl unabsichtlich – auf den Knöchel stieg. Eine strengere Spielleitung – erst recht mit potenziellem VAR – hätte hier unter Umständen ebenfalls einen Platzverweis erkennen können. Bei Rizzolis Linie allerdings nicht.

Dante tritt Reus, der Ball ist weit weg. – Bild: madeinfoot.ouest-france.fr

9. Gestutzte Flügel schlagen besser

Auf dem Fleckchen Erde, auf dem 47 Jahre zuvor England mit den “Wingless Wonders” zum bisher einzigen Mal Weltmeister geworden war, entschied Bayerns außergewöhnliches Flügel-Duo das Finale ausgerechnet in den Momenten, in denen es gemeinsam eingerückt war.

Zwar gelang es dem BVB, Franck Ribery und Arjen Robben – wie bei der Meisterschafts-Entscheidung zwei Jahre zuvor – im klassischen Flügelspiel bei organisiertem Ballbesitz relativ gut zu kontrollieren. Dennoch kreierten “Robbery” schlussendlich beide Münchner Tore. Vor dem 1:0 durch Mandzukic hatte sich Robben zu Ribery in den linken Halbraum gesellt; vor dem langen Ball, nach dem die Entscheidung fiel, positionierten sich beide Dribbler zentral im Strafraum. Und kombinierten den FCB zum Titel.

10. Verdient? Nicht unverdient?

Nach 25 Minuten in Wembley hatten, zumindest auf neutraler Seite, wohl die wenigsten auf den FC Bayern getippt. Dennoch war der Erfolg des deutschen Rekordmeisters am Ende mindestens “nicht unverdient”. Dortmunds starke Anfangsphase wurde noch vor der Pause durch 20 Bayern-Minuten mit klarem spielerischen und Chancen-Übergewicht “ausgeglichen”.

Im zweiten Abschnitt gab der FCB dann ungefähr ab der 55. Minute den Ton an und machte den besseren sowie hinten raus fitteren Eindruck – Dortmund hatte sein Pulver zu früh verschossen. Am Ende ergeben auch die Chancen-Statistiken meiner persönlichen Zählung (11:8 Chancen, davon 8:3 große Chancen jeweils für Bayern) den Ausschlag für Münchner, die mit ihrem Angriffsspiel über weite Strecken gefährlicher und zwingender geworden waren.

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