Jimmy Greaves: DAS JUBELN DER ANDEREN

Weil er England 1966 zum WM-Titel schoss, hat sich Geoff Hurst sportlich unsterblich gemacht. Jimmy Greaves konnte das nie wirklich verwinden:

Da stand er nun, inmitten all dieser Heiterkeit, und konnte sich nicht wirklich freuen. Jimmy Greaves sah, wie Nobby Stiles auf Wembleys Rasen tanzte, wie neben Kapitän Bobby Moore vor allem Geoff Hurst geherzt wurde, der England soeben mit drei Final-Toren zum Weltmeister gemacht hatte – und “nur” deshalb vielen noch heute ein Begriff ist.

Dabei hätte das doch er sein sollen. Er, Jimmy Greaves.

Er war es doch, der den Fußball so einfach aussehen ließ, der schon als Teenager sämtliche Rekorde brach, der fast jedes Jahr Torschützenkönig wurde. Der die “Three Lions” 1963 gegen den prominenten “Rest der Welt” zum Sieg geschossen hatte und dessen Bestmarke in europäischen Topligen erst von einem Cristiano Ronaldo gebrochen werden sollte, der damals noch lange nicht geplant gewesen war.

“Never change a winning team”

Jimmy Greaves war der beste Stürmer, den England hatte. Vielleicht sogar jemals, wie einige bis heute finden. Natürlich ist er bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land gesetzt, wer denn auch sonst? Doch im letzten Gruppenspiel gegen Frankreich wird Greaves übel zugerichtet – und fällt mindestens einmal aus.

Und dann kommt dieser verdammte Hurst, ein Ersatzmann, keine Weltklasse, und schießt im Viertelfinale gegen Argentinien das einzige Tor.

Alf Ramsey konnte eigenwillig sein, auf eine sture Art. “Never change a winning team” lautete das Motto, an das sich Englands Trainer fortan eisern hielt. Der Erfolg gab Ramsey Recht, doch Greaves, in einer Ära ohne Auswechslungen zum Zuschauen verdammt, zahlte einen Preis.

“Ich tanzte mit den anderen über den Platz, doch selbst im Moment des größten Triumphes verspürte ich Trauer. All die Jahre hatte ich davon geträumt, in einem WM-Finale zu spielen. Ich hatte das Spiel meines Lebens verpasst und das tat weh.”

Englische Ekstase. Nur Greaves (hinter dem springenden Herrn) kann sich nicht so richtig freuen. – Bild: dailymail.co.uk/sport/football

Wodka in Orangen – Seine Frau rettet ihn

Seine tragische Rolle bei Englands bisher einzigem Titel sorgte nur noch mehr dafür, dass sich Greaves immer weiter selbst zerstörte. “Ich bin Jimmy Greaves. Fußballspieler. Alkoholiker”, begann er 1978 seine Biographie, als seine Ehefrau zu ihm zurückgekehrt war und ihn seiner Sucht entriss.

Der Mann, der Wodka in Orangen presste, um auch in der Kabine “trinken” zu können, hatte eine zweite Chance erhalten.

Über Englands zweite Titelchance im EM-Finale 2021 konnte sich Greaves, im Leben nach der Spielerkarriere ein beliebtes TV-Gesicht, wie 1966 wohl nicht richtig freuen. Gesundheitliche Rückschläge hatten den inzwischen 81-Jährigen, der seine Lebenserwartung weit überdauerte, schwer gezeichnet.

Sie solle ihm “irgendetwas geben”, damit er endlich abtreten könne, verriet Ehefrau Irene die Bitte ihres Mannes Anfang des Jahres. Jimmy Greaves, der größte Torjäger Großbritanniens, war bereit zu gehen.

Vielleicht wollte er nur noch erleben, wie auch sein einstiger Ersatzmann nach 55 “years of hur(s)t” endlich abgelöst wird. Doch einen neuen englischen Helden sollte es nicht geben. Zwei Monate nach dem Finale ist Jimmy Greaves verstorben.

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