Jimmy Johnstone: ALS JINKY DON ALFREDO NARRTE

Im Juni 1967 wollte Real Madrid in aller Würde das Abschiedsspiel des Alfredo di Stefano zelebrieren. Doch die Königlichen luden den falschen Gegner ein.

‘Der Feind meines Feindes ist mein Freund’, dachte sich Alfredo di Stefano vielleicht, als er im Spätherbst seiner großen Karriere bei Real Madrid allmählich ausrangiert wurde und sich schließlich noch für zwei gemütliche Jahre auf Espanyol Barcelona einließ.

Als der Argentinier seine Schuhe mit 40 Jahren dann endgültig an den Nägel hängte, und ein wohlverdientes Abschiedsspiel im Raum stand, trat aber natürlich wieder der Klub auf den Plan, dem di Stefano in den 1950er Jahren den Glanz verliehen hatte, der Real Madrid noch heute besonders macht. Ein letztes Mal in königlichem Weiß, auf der großen Bühne des Estadio Santiago Bernabeu.

Nun war Reals Glanz im Juni 1967 nicht verblasst. Zumindest nicht komplett. Zwar lagen die Tage des “weißen Balletts” schon ein bisschen zurück, doch mit einer mehr von Eigengewächsen geprägten Mannschaft dominierten die Blancos die heimische Liga nach Belieben. Und den Wettbewerb, in dem sie sich noch heimischer fühlten – den Europapokal der Landesmeister -, hatten sie sich nach fünfjähriger Pause 1966 auch wieder einverleibt.

Das Beste war für Real Madrid gerade gut genug, so dachte Präsident Bernabeu eigentlich in jeder Lebenslage. Um seinen größten Spieler gebührend zu verabschieden, lud er am 7. Juni 1967 also die Mannschaft ein, die sich nicht einmal zwei Wochen zuvor zum neuen Landesmeister-Champion aufgeschwungen hatte: Schottlands Vorzeigeteam Celtic aus Glasgow. Noch mehr soll dieser Showdown aber der Wunsch di Stefanos selbst gewesen sein, der dem Triumph der “Lisbon Lions” beigewohnt hatte (und sich wohl in beiden Fällen für den Sieger entschieden hätte).

Über 120.000 Schaulustige versammelten sich in Bernabeus Stadion, um ihren “Don Alfredo” noch ein letztes Mal zu bestaunen – und sicherlich auch, um einen Blick auf Europas neuen König zu erhaschen, der zu diesem Anlass doch am besten gleich besiegt werden sollte. Es gab nur ein Problem: Die Schotten waren mindestens genauso motiviert.

Vor dem Spiel: Celtic-Kapitän Billy McNeill und Alfredo di Stefano. – Bild: Twitter/Nostalgia Futbolera

Für die Königlichen durfte die angestrebte Erinnerung daran, wer Europas “wahrer König” ist, durchaus in der entspannten Atmosphäre eines Abschiedsspiels erfolgen. Di Stefano, der mit 27 schon wie 40 ausgesehen hatte und mit 40 nun noch eine ganze Schippe betagter daherkam, gab Reals Rhythmus vor, indem er sich bereits nach einer Viertelstunde auswechseln ließ. Die Europapokalsieger von 1966 würden das schon richten.

Aber auch die Europapokalsieger von 1967 hatten nach ihrem überraschenden Triumph über “Grande Inter” nun einen Ruf zu verlieren, und als Gast beim großen Real gewissermaßen auch einen zu gewinnen. Bertie Auld nahm seine Aufgabe als Bewacher von Madrids Schlüsselspieler Amancio sogar so ernst, dass beide noch in der Anfangsphase des Feldes verwiesen wurden.

Besonders Celtic-Trainer Jock Stein hatte diesem Spiel, das er unbedingt gewinnen wollte, große Bedeutung beigemessen. Durch einen Sieg über die Königlichen würde seine Mannschaft ohne Zweifel als “wahrer” Europapokalsieger anerkannt werden – der Beweis, dass der Außenseitersieg über Inter kein Zufall war. Für den Fall einer Niederlage hatte Stein aber auch vorgesorgt und zwei neue Spieler aufgestellt – damit Real nicht behaupten konnte, die “Lisbon Lions” geschlagen zu haben.

Zwar war es nicht in Celtics Sinn, seinen Gastgeber zu einem solchen Anlass bloßzustellen – anders als der FC Bayern, der in den Niederlanden 1978 so feindselig empfangen werden sollte, dass er Johan Cruyffs Abschiedsspiel aus Trotz mit 8:0 gewann. Und doch konnte vor allem Rechtsaußen Jimmy Johnstone, den sie wegen seiner vielen Haken “Jinky” riefen, seine Spielfreude kaum bändigen.

Johnstone hielt die bemitleidenswerten Madrilenen mehr und mehr zum Narren, und einen solchen hatte das Madrider Publikum am nur etwa 1,60 Meter kleinen Rotschopf bald gefressen. Irgendwann wurde es von lauten “Olé”-Rufen begleitet, wenn Johnstone mal wieder einen Gegenspieler ins Leere grätschen ließ. “Das war das beste Spiel meiner Karriere”, erinnerte sich der damals 22-Jährige, der den Ball kurz nach dem Schlusspfiff triumphierend in die Höhe gestreckt hatte, Jahrzehnte später. “Gegen Ende wollten sie nicht einmal mehr in meine Nähe kommen.”

Schlussendlich unterlag Real nicht mit 0:8, sondern nur mit 0:1 – “Jinky” hatte den Treffer des Tages mustergültig vorbereitet -, und die Zuschauer waren sogar auf ihre Kosten gekommen. Dem alten Bernabeu kam daraufhin eine Idee. Angeblich wollte er Johnstone sogleich verpflichten, der sogar so galaktisch spielte, dass die Celtic-Fans ihn noch vor seinem frühen Tod 2006 zu ihrem “Spieler des Jahrhunderts” wählten. Doch zu einem Wechsel kam es nie – und Real Madrid sollte auf seinen nächsten Henkelpott noch über 30 Jahre warten müssen.

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