Lajos Detari: Der Freistoß. Die Millionen.

Mit dem DFB-Pokal hat Eintracht Frankfurt ein besonders Verhältnis. Mit Lajos Detari auch. Im Frühsommer 1988 kam beides zusammen und warf eine Frage für die Ewigkeit auf.

Lajos Detari war ein Experiment. Was positiv zu verstehen ist, abgesehen davon, dass er mit 24 Jahren in ein fremdes Land kam, dessen Sprache er nicht sprach.

Während die osteuropäischen Fußballnationen ihre Aushängeschilder zu dieser Zeit größtenteils erst ins attraktive Ausland wechseln ließen, wenn diese ihre besten Jahre oft schon hinter sich hatten, bekam Ungarns herausragender Spieler seiner Generation die große Chance. Oder den großen Auftrag, als Repräsentant zu fungieren. Wie man’s nimmt.

Detari, genialer Gestalter hinter den Spitzen mit eingebautem Torriecher, landete allerdings nicht bei einem westeuropäischen Spitzenklub, sondern bei Eintracht Frankfurt. Die Generation um Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein hatte schon eine Weile abgedankt, bis zum “Fußball 2000” war es noch ein bisschen hin. Die Eintracht spielte nicht den schönsten Fußball und auch keine große Rolle.

Mit dem hochbegabten Neuzugang änderte sich zur Saison 1987/88 beides. Detari fiel auf, nicht nur wegen seiner bunten Puma-Schuhe in den ungarischen Landesfarben. Heute nicht ungewöhnlich, damals genau das.

In der Bundesliga waren es Momente. Stolze elf Saisontore in 33 Ligaspielen, gerne per Fernschuss, das reichte aber auch nur für Platz neun. Doch im Pokal, das lag der SGE. Anno dazumal wie heute. Ihre Pokal-Saison 1987/88 ist auch eine Heldengeschichte.

Im Halbfinale gegen den kommenden Meister Werder Bremen heißt der Held Uli Stein, der Frankfurt als unüberwindbarer Rückhalt ins Finale pariert. Dort, bereits im dauerhaft etablierten Endspielort Berlin, war dann wieder Detari-Time.

Das Spiel als Ganzes, gegen den VfL Bochum, war erneut überschaubar. Also ein Moment. 81. Minute, Spielstand 0:0. Detari holt den Freistoß selbst raus, in einer Position, die er sich nicht schöner hatte ausmalen können. Knapp 25 Meter Torentfernung, für den Rechtsfuß (“Ich habe gefühlt, dass ich ihn reinmache”) angenehm halblinks. Frank Schulz will “Charly” Körbel schon zum Zurücktraben in die eigene Hälfte überreden, da hat Detari noch gar nicht ausgeführt. Natürlich dreht er ihn rein.

Die Eintracht war Pokalsieger, Detari – nach Eingewöhnungszeit – spätestens jetzt nicht mehr aus Frankfurt wegzudenken. Und doch sollte es ganz anders kommen. Der Ungar selbst hatte schon im Verlauf seiner einzigen SGE-Saison immer wieder von Juventus Turin geschwärmt, die Entscheider der Adlerträger waren aus finanziellen Gründen nicht abgeneigt. Der Fußball war nur in Teilzeit romantisch, auch vor der Wende schon.

3,6 Millionen Mark soll die Eintracht vor der Saison für Detari hingeblättert, über 17 Millionen Mark danach für den Unterschiedsspieler eingestrichen haben. Aber nicht von Juve, das sich stattdessen Aleksandr Zavarov holte und ohnehin nicht so viel gezahlt hätte wie Olympiakos Piräus, wo Präsident und Mehrheitsaktionär Georgios Koskotas sogar die private Geldbörse aufgemacht hatte.

Detari traf auch in Griechenland, wie in Frankfurt und vorher schon bei Honved Budapest. Doch Piräus war nicht Turin, das bedauerte der Ungar immer, der es in Frankfurt in nur einer Saison zur Legende gebracht hat. Auch wenn sich viele Fans noch heute fragen, wo all die Millionen damals eigentlich abgeblieben sind – obwohl sie insgeheim wissen, dass damit vor allem die Schulden getilgt wurden. Vereinsschulden. Die Schulden der Eishockeymannschaft. Und ein bisschen Handgeld, mindestens für Detari.

In Frankfurt zauberten bald darauf Uwe Bein, Andreas Möller, Maurizio Gaudino oder Jay-Jay Okocha, fast so, als würden gleich mehrere Detaris auf dem Platz stehen. Doch einen Titel gab es mit all ihnen nicht. Den gab es im Pokalfinale 1988, mit einer vorbeiziehenden Sternschnuppe namens Detari. Als in der 81. Minute alle schon vorher wussten, was gleich passieren würde.

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