Kaum einen engte die Fußballwelt so ein wie den großen Maradona, den sie nicht nur in Neapel wie eine Gottheit verehrten. Am Meppener Bratwurststand erzählt man sich noch heute von einem anderen Diego.
Zu den größten Begebenheiten, von denen man sich noch Jahrzehnte später mit diesem Leuchten in den Augen erzählt, kommt es oft nur, weil es der Zufall so will. Oder eben Gerd van Zoest. Im Frühsommer 1982 rief der Vereinsmanager des SV Meppen einen Bekannten an, der bei der UEFA gute Kontakte hatte.
Van Zoests Anliegen war es, zum 70-jährigen Vereinsjubiläum des SVM einen möglichst spektakulären Sparringspartner in die Provinz zu holen; den Fans, die einige Jahre zuvor immerhin schon Cruyffs Ajax sehen durften, mal wieder so richtig was zu bieten. An diesem Punkt mischte sich der Zufall ein.
Nur fünf Minuten vor van Zoests Anruf hatte sich der große FC Barcelona vermitteln lassen – auch die Blaugrana suchten einen Testspielgegner. Und zwar einen der Meppener Kategorie.
So kam es zu dieser unwahrscheinlichen Fügung des Schicksals – und es wurde noch besser: Ein paar Tage später vermeldete Barca die Verpflichtung von Diego Maradona, dem damals großen neuen Stern am Fußballhimmel. Und schnell kristallisierte sich heraus, dass der Weltstar sein erstes Spiel für den Weltklub im Test gegen Meppen bestreiten würde. Das Emsland stand Kopf.
Maradona, das war ein 21-jähriger Ausnahmekönner, der in Argentinien schon als Teenager alles in Grund und Boden gespielt hatte und zur WM 1982 als bester Fußballer seit Pelé angekündigt worden war. Auch wenn man den Linksfuß dort mit Fouls malträtierte und er sich wegen eines Trittes gegen seinen Kameraden zu einer Tätlichkeit verleiten ließ, hatte sich der “Goldjunge” erstmals der ganzen Fußballwelt vorstellen können.

Barca schlug per Rekord-Ablöse zu (damals etwa acht Millionen Euro) und angelte sich den besten Spieler der kommenden Jahre. Und alles begann in Meppen.
Als das katalanische Star-Ensemble um Bernd Schuster, Allan Simonsen und eben Maradona am 3. August 1982 im Emsland aufschlug, prallten Welten aufeinander. Die Ticket-Nachfrage war so groß gewesen, dass sich der Verein unweigerlich seinen ersten Anrufbeantworter anschaffen musste – Meppen, 1982.
Ganze 22.000 Zuschauer, mehr als die Hälfte der Meppener Bevölkerung, pressten sich ins Hindenburgstadion – etwa 5000 mehr, als man offiziell zugab. Meppens damaliger Trainer Hans-Dieter Schmidt sprach von Woodstock-Verhältnissen, die folgende Szenerie war hingegen Kontrastprogramm.
Rekordmann Maradona wurde unter Polizeischutz aufs Feld geleitet, wo er eine seiner legendären Aufwärmshows darbot. Etwa 100 junge Schaulustige durften währenddessen schließlich doch auf den Rasen und scharten sich um den Fußballgott – und wann immer dieser die Richtung wechselte, bildete sich eine Art Rettungsgasse der respektvoll die Distanz wahrenden Fans.
Kommen wir zum Spiel. Drittligist Meppen hatte sich auf den FC Barcelona vorbereitet wie auf jede andere Partie auch. Das Defensivkonzept? Hochmodern. Raumdeckung! Gegen das große Barca und den noch größeren Maradona. Gut, die neue Nummer zehn bekam dann doch einen persönlichen Aufseher, den jungen Polizeibeamten Hermann Eiting.
Traute der sich überhaupt auf den Platz? “Hermann ist ein richtiger Emsländer, das sind gestandene Kerle, die kennen keine Angst”, wusste Trainer Schmidt. Und Eiting machte sich sogar ganz ordentlich. Der Ruf als Favoritenschreck eilte dem SV Meppen schon damals voraus, gegen die Katalanen setzte es dennoch ein erwartbares 0:5.
Maradona schoss das erste Tor und setzte sich, zur Enttäuschung sogar aus Spanien angereister Kommentatoren, in der zweiten Hälfte vorsichtshalber auf die Bank. Sein Auftritt? “Wenn er den Ball am Fuß hatte, hatten wir keine Chance mehr”, analysierte ein trotzdem zufriedener Schmidt.
Der noch stärkere Maradona-Auftritt folgte allerdings nach dem Spiel. Zahlreiche Zuschauer rannten nach Schlusspfiff in den Innenraum, der Superstar gab jedem einzelnen geduldig ein Autogramm. “Er wirkte wie der Gegenentwurf zu Bernd Schuster, ich habe selten einen Profi erlebt, der so bodenständig war”, schwärmte ein sichtlich beeindruckter Schmidt.
Nachdem Maradona in der Kabine noch einige Bälle zum Wohle lokaler Behinderteneinrichtungen signiert hatte, lud Meppens Trainer den Star zum Anfassen an den Bratwurststand ein.
Sie unterhielten sich – via Dolmetscher – vor allem über die zurückliegende WM und die neue Situation in Barcelona. Und selbst als der Barca-Bus nach Einbruch der Dunkelheit endlich abfahren wollte, stieg der in einfachsten Verhältnissen aufgewachsene Maradona noch einmal aus und unterzeichnete die Dienstmütze eines beseelten Polizisten. Manchmal sind wir im Fußball eben doch alle gleich.