Newcastle United ist von der Achtung der Menschenrechte nun ähnlich weit entfernt wie von der Tabellenspitze. Wie kann die Fans das freuen? Ein Kommentar.
Ein junger Mann fasste die Szenerie vor dem St. James’ Park am Donnerstag ganz gut zusammen. Die Flagge Saudi-Arabiens in der einen Hand, ein Bier in der anderen – das passt einfach nicht. Genauso wenig wie Fans, so leidgeprüft sie auch sein mögen, die “Wir haben unseren Klub zurück” skandieren.
Weniger als jetzt, wo er mehr oder weniger in die Hände Saudi-Arabiens gelangt, werden sie ihren NUFC wohl nie gehabt haben. Mehr Marionetten als jetzt werden sie wohl nie sein. Marionetten, denen es völlig egal zu sein scheint, auf welchem Wege ihr Verein nach frustrierenden Jahren unter dem ungeliebten Besitzer Mike Ashley wieder sportlich relevant oder hier und da sogar zum Titelkandidaten werden könnte.
Zehnmal so reich wie Manchester City
Denn wenn der Weg das Ziel ist, hat Newcastle United ein ziemlich schlechtes. Für etwa 300 Millionen Pfund gehört der englische Traditionsklub nun einem vom öffentlichen Investmentfonds Saudi-Arabiens dominierten Konsortium, das insgesamt über etwa 300 Milliarden Pfund verfügt. Die Magpies sind auf einen Schlag mehr als zehnmal so reich wie Manchester City.
Und genau diese Tatsache haben einige Newcastle-Fans ganz offenkundig bejubelt. Eine Euphorie, in die auf Twitter auch aktuelle und ehemalige Spieler wie Callum Wilson oder Alan Shearer mit einstimmten. Das Loswerden Mike Ashleys als Hauptgrund dieses befremdlichen Jauchzens vorzuschieben, wäre wohl ebenso Blendung wie das Prinzip der neuen Besitzer.
“Ein klarer Versuch, Menschenrechtsverletzungen zu überstrahlen”
“Sportswashing” nennt sich das, was nicht nur die Menschenrechtsorganisation “Amnesty International” dem saudischen Fonds vorwirft, dessen Zügel kein Geringerer als Kronprinz Mohammed bin Salman in der Hand hält. Oder eben “ein klarer Versuch der saudischen Autoritäten, ihre Menschenrechtsverletzungen mit dem Glamour des Spitzenfußballs zu überstrahlen”, um es mit den Worten von Amnesty-Geschäftsführer Sacha Deshmukh zu sagen.
Mit Jamal Khashoggi kann ein weiterer Kritiker hingegen nichts mehr dazu sagen, da der Journalist Opfer einer Tötung wurde, die mit bin Salman in etwa so eng in Verbindung gebracht wird wie nun Newcastle United. Wo die Strahlen des Sportswashings offenbar jetzt schon so hell sind, dass solche banalen Aspekte wie Menschenrechte schon mal aus dem Blickfeld geraten. Aber auch die Premier League, die eigentlich vorgeben will, dass es keine Mehrheitseigner gibt, hat sich – wie auch immer – einlullen lassen.
Das Problem liegt nicht nur auf Direktorenebene
Wirklich neu ist das alles ja nicht, gerade in der Premier League. Ein neues Buch wird im längst aus den Fugen der Vernunft geratenen Profifußball wegen des Verkaufs von Newcastle United nicht geschrieben. Und doch steht er für ein weiteres Kapitel verlorengegangener Werte und Moralvorstellungen, in dem schon weit unterhalb der Direktorenebene das Verlangen nach Unterhaltung und Erfolg zum Mehrheitseigner geworden ist.
Denn solange dafür gesorgt ist, scheint es für einige im Umfeld dieser Vereine keine Rolle zu spielen, woher diese Dinge kommen. Fans, die trunken von fragwürdiger Freude Parolen grölend durch die Straßen ziehen. In der Heimat ihrer neuen Besitzer sollten sie davon lieber absehen.