Johan Cruyff und die niederländische Nationalmannschaft verzauberten bei der WM 1974 die Fußballwelt. Der VAR hätte das gar nicht zugelassen.
Gänzlich unbekannt war der “totale Fußball”, selbst in Zeiten weitaus geringerer globaler Vernetzung, im Herbst 1973 ja nun wirklich nicht. Soeben hatte Ajax Amsterdam mit seinen manchmal fast schon provokant flexiblen Positionsrochaden den dritten Landesmeister-Cup in Folge eingefahren, ehe sein fußballerisches Aushängeschild Johan Cruyff loszog, um den FC Barcelona nachhaltig zu verändern.
Die Belgier wussten also, was auf sie zukommen würde, als sie ihrem Nachbarschaftsrivalen im letzten Qualifikationsspiel für die WM 1974 direkt gegenüberstanden. Am 18. November 1973 in Amsterdam sahen weit über 50.000 Zuschauer mit an, wie sich die Roten Teufel lediglich auf ihre bewährte Defensive besannen und sich am eigenen Strafraum regelrecht verbarrikadierten.
Glück schon im ersten Spiel
Den Niederlanden, die sich seit 1938 für keine WM-Endrunde mehr qualifiziert hatten, reichte ein Remis, um in (West-)Deutschland dabei zu sein – so wie im ersten Duell in Antwerpen, das 0:0 endete. Obwohl Jean Thissen für Belgien, das vom späteren Champions-League-Sieger mit Olympique Marseille Raymond Goethals trainiert wurde, den Pfosten getroffen hatte.
Die beiden Spiele gegen die anderen Gruppengegner Norwegen und Island hatten sowohl die aufstrebende Fußballmacht in Orange als auch der EM-Dritte aus Belgien gewonnen – Cruyff und Co. hatten dabei allerdings weitaus mehr Tore erzielt.
Das verlangte den Belgiern, die anders als die Elftal noch kein einziges Gegentor kassiert hatten, freilich Respekt ab. Doch das Vertrauen in die eigene Abwehrkunst war gegeben. Da hätte den Niederlanden, die damals noch nicht vom legendären Rinus Michels, sondern vom Tschechoslowaken Frantisek Fadrhonc trainiert wurden, auch keine Positionsrochade etwas gebracht.
Kein Cruyff, kein Rensenbrink, kein Rep (der eine Riesenchance ausließ) vermochte es, das belgische Bollwerk zu knacken, das irgendwann aber wohl oder übel auch ein eigenes Tor erzielen musste. Dafür benötigte es jedoch eine Menge Fantasie. Gut für die Goethals-Elf, dass der rechte Außenrist ihres Kapitäns Paul van Himst über eine Menge Fantasie verfügte.
In der 89. Minute, als es beinahe schon danach ausgesehen hatte, als ob Belgien mit dem 0:0 zufrieden wäre, schnitt van Himst eine Freistoßflanke so an, dass sie außerhalb der Reichweite von Oranje-Keeper Piet Schrijvers am zweiten Pfosten bei Jan Verheyen landete. Dieser schoss den Ball ins verwaiste niederländische Tor und drehte jubelnd ab.
Die Elftal hatte auch in diesem Moment auf Abseits gespielt, das allerdings gleich mindestens zwei Niederländer eindeutig aufgehoben hatten. Und doch kassierte Schiedsrichter Pavel Kazakov den Treffer tatsächlich ein, was dem Spielverlauf vielleicht angemessen, aber schlicht und ergreifend eine grobe Fehlentscheidung war.
So blieb es erneut beim 0:0 – und die Belgier scheiterten schließlich in einer WM-Qualifikation, in der sie kein einziges Gegentor hingenommen hatten. Stattdessen fuhr Holland zur WM, wo Cruyff und all die anderen wieder viele Tore schossen und einen mehr als nachhaltigen Eindruck hinterließen.
Zwar hätten sich die Niederländer im Finale gegen Deutschland wohl am liebsten gewünscht – als Bernd Hölzenbein den Elfmeter zum 1:1 herausholte -, dass es zu dieser Zeit schon einen VAR gegeben hätte. Aber wenn sie ehrlich sind … wahrscheinlich lieber nicht.
Sehr gut geschrieben Niklas. Wie auf die WM74 hätte dieser Oranje-mannschaft auf den 18. November 1973 einen großen Mängel, sie vergaben sehr viele Chancen.
Grußen von Harry Walstra (sehe für mehr Info über das Oranje von die Siebziger mein twitteraccount @harrywalstra)