Auch die größten Fußballidole waren mal klein – und hatten selbst welche. Die schöne Geschichte von Zinedine Zidane und Enzo Francescoli.
Marseille, Problemviertel “La Castellane”, Sommer 1986. Inmitten der Hochhausschluchten, wo der Belag so hart war wie das alltägliche Leben, kickten die Kinder afrikanischer Einwanderer unter sich. Um der Härte zu entgehen, musstest du kreativ sein. Und keiner spielte so kreativ wie der 14-jährige Zinedine.
“Natürlich haben auch wir alle versucht, Diego Maradona nachzuahmen”, erinnerte er sich Jahre später, als der argentinische Fußballgott verstarb, an die Zeit während der WM in Mexiko. Doch ihm, dem man zutraute, die weiß-grauen Betonburgen eines Tages hinter sich lassen zu können, hatte es ein anderer südamerikanischer Spielmacher angetan.
Was Maradona für Argentinien war, war Enzo Francescoli für Uruguay. Gestalter, Torschütze, Heldenfigur. Die Bewegungen von “El Principe” waren es, die der junge “Zizou” vor dem flimmernden Kastenfernseher akribisch studierte, um sie unten, beim obligatorischen “Kick bis zehn”, direkt anzuwenden. Als Francescoli nach der WM 1986 nach Frankreich wechselte (Racing Paris), war es um Zidane geschehen.
Und es wurde noch besser für Zizou, der selbst auch immer besser wurde: 1989 kam sein Idol nach Marseille, schloss sich Bernard Tapies “OM” an. Obwohl er mittlerweile Jugendspieler in Cannes war, fuhr Zidane so oft es ging zum Marseiller Training, um seine Obsession zu pflegen. “Ich wollte sein wie Francescoli, ich war besessen von ihm”, gab er noch zu, als aus ihm längst selbst ein Idol geworden war.
Zur nächsten Begegnung, falls Zinedine seinem Vorbild zuvor je aufgefallen war, kam es einige Jahre später. Francescoli, der dem Argentinier Diego Milito ziemlich ähnlich sieht, hatte sein Niveau bis weit in seine Dreißiger gehalten und stand mit River Plate 1996 im Finale um den Weltpokal. Gegner war Juventus Turin, das wenige Monate vorher einen neuen Gestalter verpflichtet hatte: Zinedine Zidane.
Den Uruguayer traf beinahe der Schlag, als Zizou seine Begeisterung bereits vor dem Spiel nicht mehr verbergen konnte: “Dass so ein Typ, der ja schon damals ein Gigant war, zu dir sagt, dass er dir jeden Abend zugeschaut hat und du dieses machtest oder jenes sagtest – das war sehr bewegend für mich”, so Francescoli. Wie es das auch für den mit Juve siegreichen Zidane war, als es anschließend zum Trikottausch seiner Träume kam.
Für seinen kleinen Sohn sei das, hatte der Franzose verlegen argumentiert. Ehefrau Veronique verriet allerdings, dass es vielmehr ihr Gatte war, der gelegentlich sogar in Francescolis Leibchen zu Bett ging. Nun gut, dem Sohnemann wäre es ja auch viel zu groß gewesen. Und doch hätte es besser zu ihm gepasst. Zizou hatte seinen Erstgeborenen nämlich Enzo genannt – und das nicht, weil er so gerne Ferrari fuhr.

Nach 1996 wurde aus Zidane ein noch besserer Spieler als Francescoli, wie dieser gerne eingestand – und aus ihrem ersten Treffen beim Weltpokal entstand eine richtige kleine Männerfreundschaft. Sie sahen sich nun öfter, auch der kleine Enzo lernte den großen kennen, und als Zidane Francescolis Jugendakademie einen Besuch abstattete, spielten die beiden in einem Trainingsspiel natürlich zusammen.
An diesem Nachmittag wurde kaum mal ein gewöhnlicher Pass gespielt und nach jeder Hackenablage grinste der für gewöhnlich stoische Zizou wie ein kleiner Junge, der mit seinem Idol kicken durfte. Und als wäre die Geschichte nicht schon kitschig genug, kam Francescoli eines Tages mit seinem Sohn Marco zu Zidane, bei dem sich dieser – mindestens so schüchtern wie Zinedine 1996 – ein paar technische Tipps abholen wollte.
Da musste Zizou lachen. “Frag deinen Vater”, schmunzelte er, “denn ich habe alles von ihm gelernt”. Und zwar wirklich alles. Im Copa-America-Finale 1987 war El Principe nach einem Kopfstoß vom Platz geflogen.